„Rechtsextremismus bleibt die größte Gefahr für unsere Demokratie“, sagt das Bundesinnenministerium. Betrachtet man die Zahlen, ergibt sich in der Tat ein beachtliches Gefährdungspotential. Das rechtsextremistische Personenpotential wurde 2022 nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften auf 38.800 Personen beziffert, von denen 14.000 als gewaltorientiert eingestuft werden. Von den 20.967 Straftaten waren 1.016 Gewalttaten. Insofern ist es ohne Zweifel richtig, dem Rechtsextremismus besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
Allerdings verwundert es schon ein wenig, dass das SPD-geführte Bundesinnenministerium dem Linksextremismus aktuell kaum Bedeutung beimisst. Und das, obwohl die Zahlen hinsichtlich des Gefährdungspotentials auch in diesem Bereich erschreckend sind. So gehen die Verfassungsschützer immerhin von einem linksextremistischen Personenpotential nach Abzug von Mehrfachmitgliedschaften in einer Größenordnung von 36.500 aus, von denen nicht weniger als 10.800 als gewaltorientiert gelten. Registriert wurden allerdings nur 3.847 Delikte, von denen 602 Gewalttaten waren. Beruhigend ist dies aber nicht.
Ganz im Gegenteil, zumal Verfassungsschützer einen Besorgnis erregenden Trend ausgemacht haben. „Aufgrund des vielfach jugendlichen Alters der Protestierenden und der hohen öffentlichen Wahrnehmung stellen Klimaproteste für Linksextremisten aus verschiedenen Spektren ein attraktives und anschlussfähiges Themenfeld dar“, heißt es im Lagebild des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Und in diesem Zuge scheinen sich Teile der Klimabewegung zunehmend zu radikalisieren.
Der Kleingruppe „Switch off“ werden mittlerweile zwölf Anschläge zugerechnet, bei denen erheblicher Sachschaden entstand. Eine andere Gruppe nennt sich „Disrupt now“ und verweist bei ihren Anschlägen ebenfalls auf den Klimaschutz. Die „Letzte Generation“, die bislang mit Klebeaktionen auf sich aufmerksam gemacht hat, will ihren Protest künftig direkter adressieren und die aus ihrer Sicht für die Klimazerstörung Verantwortlichen verstärkt direkt konfrontieren. Zudem sollen häufiger Orte der fossilen Zerstörung aufgesucht werden. Für Polizisten wie Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei sind das weitere angekündigte Straftaten.
Extremismusforscher Klaus Schroeder von der Freien Universität in Berlin geht sogar noch weiter: „Mit der Ankündigung eines Strategiewechsels und direkteren Aktionen bis hin zu Sabotageakten untergraben sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung und greifen den Staat an.“ Für ihn ist klar: „Teile der Bewegung wollen nicht das Klima ändern, sondern das System. Und das wäre verfassungsfeindlich.“
Daraus, dass sie einen Systemwechsel wollen, machen die Gruppen in ihren Bekennerschreiben keinen Hehl. So hieß es bei „Switch off“ nach einem Anschlag auf einen Golfclub in Hamburg Blankenese in einem auf dem linksradikalen Portal „Indymedia“ veröffentlichten Text: „Und so ist der Kampf gegen die Klimazerstörung unweigerlich auch ein Kampf entlang von Klassenfragen.“ Noch deutlicher wird das von der linksextremistischen „Interventionistischen Linken“ beeinflussten Bündnis „Ende Gelände“: „In einer kapitalistischen Gesellschaft (kann es) keine Klimagerechtigkeit geben. Daher ist neben dem Kampf für eine klimagerechte Gesellschaft der Kampf für einen Systemwandel erforderlich.“
Damit hier kein falscher Eindruck aufkommt: Rechts- wie Linksextremismus wollen einen anderen, keinen demokratischen Staat und müssen deshalb mit allen demokratischen Mittel bekämpft werden. Für uns Deutsche gilt das aufgrund unserer historischen Verantwortung umso mehr, als beiden Extremen ein Antisemitismus innewohnt, der unerträglich ist. Während bei Rechtsextremisten deren Antisemitismus gegen Juden rassistisch begründet wird, sind es bei Linksextremisten ökonomische und/oder politische Motivationen.
Nachdem aber über 85 Jahre nach den November-Programmen Juden in Deutschland wieder Angst um ihr Leben haben müssen, darf der Aufruf „NIE WIEDER IST JETZT“ nicht zu einer traurigen Fensterrede verkommen. Das droht er aber, wenn man die Einlassungen konsequenzenlos durchgehen lässt, mit der Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) darauf reagierte, dass ein palästinensischer Student einen jüdischen Kommilitonen der Freien Universität krankenhausreif geschlagen hat: „Eine Exmatrikulation aus politischen Gründen lehne ich grundsätzlich ab. Hochschulen sind offene Räume der Kommunikation und der Debatte. Die Wissenschaft lebt vom Austausch, lebt von Internationalität, lebt von internationalen Studierenden. Und natürlich gibt’s mal Konflikte auf dem Campus. Und die müssen wir eindämmen.“
Dass die zwangsläufigen Rücktrittsforderungen bislang folgenlos geblieben sind, spricht für sich. Dabei war der Angriff auf Lahav Shapira, der Knochenbrüche im Gesicht davon trug, nur der traurige Höhepunkt einer Entwicklung, die sich seit Jahren an den Berliner Universitäten vollzieht. Blanker Hass gegen Juden und Verherrlichung des Hamas-Terrors gehören dort mittlerweile zum Alltag. Auch die Humboldt-Universität machte Schlagzeilen, nachdem mittels propalästinensischer und anti-israelischer Agitation eine Podiumsdiskussion gesprengt wurde, an der auch die israelische Richterin Daphne Barak-Erez teilnahm, die Mitglied des Obersten Gerichtshofs Israels ist. Angesichts der Tatsache, dass eben diese Richterin mit ihrer regierungskritischen Haltung als engagierte Hüterin der israelischen Demokratie gilt, zeigt, um was es in Wirklichkeit geht: Antisemitismus.
„NIE WIEDER IST JETZT“ ist die Antwort auf den 7. Oktober 2023, den tödlichsten Tag für Juden seit der Shoah, und den Umstand, dass nach wie vor über 100 Geiseln in der Hand der Hamas sind. Wenn diese Antwort keine hohle Phrase sein wolle, verlange es Solidarität mit Juden, mahnt sogar die Berliner Tageszeitung „taz“ an, die in diesem Kontext ein Problem ausgemacht hat: „Auf den Massendemonstrationen gegen rechts ist dies nicht immer präsent. Teils liefen Israelhasser*innen auf diesen Demos mit, verhielten sich aggressiv gegenüber Ordner*innen und anderen Demoteilnehmenden. Für Jüdinnen und Juden ein fatales Signal.“
Nicht ganz so folgenschwer, aber dennoch schwierig für den weiteren politischen Diskurs in diesem Land ist ein weiteres Signal, das von den „Demos gegen rechts“ ausgeht – ob bewusst oder unbewusst sei einmal dahin gestellt. Denn rechts ist nicht rechtsextrem, was aber bei „Schüler gegen rechts“, „Schülerzeitungen gegen rechts“, „AG gegen rechts“, „Jugendliche gegen rechts“, „gemEinsam gegen rechts“ oder „Omas gegen rechts“ nicht immer deutlich wird. Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass schon die Liberalen im Visier der Demonstranten sind und damit einen Stempel bekommen, der wahrlich nicht angebracht ist. Und nach dieser Lesart könnte ja auch schon der Seeheimer Kreis der Sozialdemokraten Grund einer „Demo gegen rechts“ sein, nachdem er laut Wikipedia in der politischen Berichterstattung „zumeist als rechter oder konservativer Flügel der SPD-Fraktion“ bezeichnet wird.
Ins Schwarze getroffen!
Dass sich die Innenministerin auf den Rechtsextremismus fokussiert, liegt wohl an einer Sehschwäche ihres linken Auges seit ihrer Jugend. Zudem kann sie sich mit diesem Schwerpunkt des Beifalls der Grünen in Regierung und Parlament sicher sein.