Berlin-Dossier, Nr. 7

Es hatte schon etwas von beleidigter Leberwurst. Jedenfalls reagierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ziemlich angesäuert und unwirsch auf das, was ihm der Bundesrechnungshof daheim ins Stammbuch geschrieben hatte: „Dafür hätte ich nicht den Bericht des Bundesrechnungshofes gebraucht. Jeder, der nachdenken kann, sieht, dass das das Problem ist. Da haben sie einen Punkt. Schönen Dank dafür“, raunzte der grüne Minister während seines Besuches in den Vereinigten Staaten, eben dort, wo er an anderer Stelle seine Gastgeber ausgesprochen undiplomatisch in den Senkel stellte: „Solve the fucking problems!“ oder auf Deutsch: „Löst die Scheiß-Probleme.“ Damit nicht genug: „Entschuldigung, aber Sie sind nicht auf Kurs. Die USA sind nicht auf Kurs. Deutschland war es auch nicht. Jetzt bringe ich es auf Kurs“, brach es aus Habeck heraus. Für jemanden, der wiederum seinen Kritikern „eine erstaunliche Wahrnehmung“ vorwirft, „die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat“, ist das schon starker Tobak, gepaart mit einer gehörigen Portion Überheblichkeit, mit der Habeck sich zielstrebig zwischen selbstbewusst und doch bescheiden positioniert und dabei völlig außer Acht lässt, dass man nicht mit Steinen schmeißen sollte, wenn man im Glashaus sitzt.

Denn das, was der Bundesrechnungshof moniert hat, gibt nun wahrlich Anlass zur Sorge und kann nicht so einfach vom Tisch gewischt werden. Zumindest lesen sich die letzte Zeilen des Berichtes „zur Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltverträglichkeit der Stromversorgung“ nicht gerade beruhigend: „Dieser Bericht zeigt auf, dass die Maßnahmen der Bundesregierung zur Umsetzung der Energiewende ungenügend sind und deshalb gravierende Risiken für jedes dieser energiepolitischen Ziele bergen: Verzug beim Ausbau der erneuerbaren Energien, der notwendigen gesicherten, steuerbaren Kraftwerksleistungen sowie der Stromnetze gehören hierzu ebenso wie hohe Strompreise und Wissenslücken hinsichtlich der Umweltwirkungen der Transformation. Zugleich fehlt der Bundesregierung seit dem Aussetzen des Monitoring-Prozesses ‚Energie der Zukunft’ ein Instrument, um Wechselwirkungen zwischen den energiepolitischen Zielen zu erfassen. Mit ihrem Vorgehen läuft die Bundesregierung Gefahr, dass mögliche Konflikte zwischen den energiepolitischen Zielen ungelöst bleiben und die Energiewende scheitert.

Die Bundesregierung sollte die Prüfungsfeststellungen nutzen, um die aufgezeigten Defizite zu beseitigen. Denn das Gelingen der Energiewende ist von zentraler Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland, die gesellschaftliche Akzeptanz der Transformation sowie das Erreichen der Klimaschutzziele.“

Das klingt nach: Setzen, sechs! Dabei ist der Bundesrechnungshof nicht der einzige Kritiker des Bundeswirtschaftsministers. Eine der, wenn nicht sogar die renommierteste Energieexpertin Deutschlands, Veronika Grimm, hat bereits mehrfach den Stab über Habeck gebrochen und nicht zuletzt mit Blick auf die von diesem ausgerufene grüne Wirtschaftsrevolution den Daumen gesenkt: „Ein grünes Wirtschaftswunder würde man nur erleben, wenn diese klimafreundlichen Anlagen mit gleichem Kapitaleinsatz mehr Wertschöpfung generieren. Davon darf man allerdings nicht automatisch ausgehen.“

Noch deutlicher werden die Familienunternehmer, von denen immer mehr Deutschland verlassen (müssen). Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmer – einst „Stabilitätsanker unserer Volkswirtschaft“, zielt direkt auf Habeck: „Während die hausgemachte Wirtschaftskrise schlimmer wird, ist das Krisenmanagement des Bundeswirtschaftsministers völlig unwirksam.“ Und damit es auch der Letzte versteht, legt sie nach: „Mit diesem Wirtschaftsminister kommen wir nicht aus der Krise.“

Unwillkürlich fragt man sich: Liegt es nur an der Person Habeck oder hat es auch mit der grünen Ideologie zu tun? Schaut man ein paar Jahre zurück, finden sich erste Hinweise für eine Antwort. Just beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln machte sich der heutige Wirtschaftsminister dafür stark, die soziale Marktwirtschaft zu einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft zu entwickeln, mit starken staatlichen Leitplanken. Denn: „Sosehr uns der Kapitalismus unfassbare Erfolge beschert hat, Wohlstand, Bildung, Gesundheit, Nahrung in Mengen, so sehr drohen uns gerade die Bedingungen für seinen Erfolg über den Kopf zu wachsen“, begründet der Politiker seine Forderung, wobei die grüne Skepsis gegenüber der Wirtschaft unüberhörbar ist.

Gleich die Systemfrage stellt demgegenüber Katharina Stolla, Co-Chefin der Grünen Jugend, als sie dieser Tage bei Markus Lanz zu Gast war und geißelte, dass Unternehmen überhaupt Profite machen. Sie will die Verstaatlichung großer Wohnungskonzerne und einen europaweiten Mietendeckel. Die Schuldenbremse soll gestrichen, das Bürgergeld verdoppelt werden. Und die, die viel Rente kriegen, sollen gefälligst etwas abgeben. Für die Grüne ist es ganz einfach: Wir können uns die Reichen nicht mehr länger leisten.

Und bei Ricarda Lang, die auch einmal an der Spitze der Grünen Jugend stand und heute an der Spitze der Grünen steht, hörte sich das im vergangenen Jahr so an: „Es braucht auch eine andere Logik. Die Logik, dass einem Unternehmen ein Zweck zusteht. Die Logik, dass nicht nur ein Einzelner, derjenige, der es besitzt, Profit erwirtschaftet, sondern dass es unglaublich viele Menschen gemeinsam tun, die dann auch gemeinsam Verantwortung dafür übernehmen. Unternehmen müssen dem Zweck dienen, zu dem sie gegründet wurden, und nicht nur dem Zweck, Gewinne zu machen.“ Die DDR lässt grüßen.

Bei all den Forderungen im Sozialbereich, die Grüne, aber auch Sozialdemokraten, Linke und andere immer so gerne erheben, kommt einem schnell Jupp Schmitz in den Sinn, der mit den Worten von Kurt Feltz die berechtigten Fragen stellte: „Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt, wer hat so viel Pinke-pinke, wer hat so viel Geld?“ Die Antwort ist relativ einfach: Die Reichen, die wir uns angeblich nicht mehr länger leisten können. Denn die, also das oberste Prozent der Steuerzahler, die Topverdiener, zahlen mehr als 20 Prozent der Einkommensteuer in Deutschland. Betrachtet man die reichsten zehn Prozent, dann zahlen die schon mehr als die Hälfte des Einkommensteuer-Aufkommens. Und nimmt man das reichste Viertel der Steuerzahler, dann kommen die schon auf 77 Prozent der Einkommensteuer.

Konrad Adenauer, erster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, hat es einmal auf den Punkt gebracht: „Alles, was die Sozialisten vom Geld verstehen, ist die Tatsache, dass sie es von anderen haben wollen.“ Dass das aber erst erarbeitet werden muss, hat sich offenbar immer noch nicht ganz herumgesprochen. Aber ein Wirtschaftsminister, damit wären wir dann wieder am Anfang der Geschichte, sollte das wissen und alles dafür tun, dass möglichst viel Geld in die Kassen gespült wird – der Unternehmen wie Mitarbeiter und damit letztlich des Staates. Das nennt man dann soziale Marktwirtschaft.

Von Detlef Untermann

Detlef Untermann ist ein deutscher Journalist und Kommunikationsmanager, der auf eine über 40-jährige Erfahrung im Medien- und PR-Bereich zurückblicken kann. Mehr unter "Über den Autor" auf dieser Webseite und auf Wikipedia.

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