Für Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist Deutschland „ein stolzes Segelschiff und für alle Stürme gerüstet.“ Sicherlich besitzt unser Land nach wie vor eine gewisse Attraktivität, die sich nicht zuletzt in der Zahl von 6,1 Millionen seit 2013 eingewanderten Menschen ausdrückt. Allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Kapitäne Angela Merkel und Scholz haben das Schiff in den letzten Jahren ziemlich auf Verschleiß gefahren, so dass es mittlerweile doch deutliche Gebrauchsspuren aufweist und dringend einer Generalüberholung, wenn nicht gar Grundinstandsetzung bedarf.
Die Besatzung, die jeden Tag versucht, das Schiff seetüchtig und am Laufen zu halten, hat das längst erkannt und verzweifelt dabei zunehmend. Um an dieser Stelle die Metapher zu verlassen: Die Menschen in diesem Land, die jeden Tag fleißig arbeiten und ihre Steuern zahlen, glauben nicht mehr an die Versprechen, die ihnen der Staat dafür einmal gegeben hat. Die Wahlerfolge der Populisten, die mit vermeintlich einfachen Lösungen auf Stimmenfang gehen, belegen dies auf erschreckende Art und Weise. Und wenn wir genauer auf die Versprechen schauen, wird deutlich, wie ernst die Lage wirklich ist.
Beginnen wir mit dem Aufstiegsversprechen. „Aus der Sicht von Sachverständigen für Kinder-, Jugend- und Familienpolitik wird das Aufstiegsversprechen, jedem Kind das Erklettern der Erfolgsleiter durch hochwertige Bildung zu ermöglichen, in Deutschland nicht eingelöst“, heißt es auf der Webseite des Deutschen Bundestages. Oder in aktuellen Zahlen ausgedrückt: Jahr für Jahr verlassen rund 150.000 junge Erwachsene das Bildungs- und Ausbildungssystem ohne einen Abschluss – mit düsteren Aussichten auf Erfolg im Arbeitsmarkt. Dabei bewegen sich die Folgekosten pro Kopf je nach Bundesland zwischen 17.365 und 23.079 Euro. Der Anteil junger Erwachsener im Alter von 20 bis 34 Jahren ohne Berufsabschluss ist von 15,5 Prozent im Jahr 2020 (2,33 Mio. Personen) auf 17,8 Prozent im Jahr 2021 (2,64 Mio. Personen) angestiegen.
Beim Wohlstands- und Wohlfahrtsversprechen sieht es nicht viel besser aus. In den kommenden 10 Jahren erwartet der Sachverständigenrat ein Potenzialwachstum von lediglich knapp 0,4 Prozent pro Jahr. Die Inflation für das Jahr 2023 soll 6,1 % betragen. Für die ökologisch-ökonomische Transformation beziffert der Rat die Kosten bis 2045 bei einer wenig ambitionierten Klimapolitik auf 607 Milliarden Euro. Die Rente steht, so die wohl berechtigte Befürchtung, vor einem wachsenden Finanzierungsproblem. Die Mieten, wenn man denn überhaupt eine Wohnung findet, sind kaum noch zu bezahlen. Für nicht wenige ist noch viel Monat über, wenn das Geld alle ist. Die Staatsquote wächst. Und so weiter und so fort.
Beim Thema Sicherheit ist die Kluft zwischen Versprechen und Wirklichkeit noch größer, zumal hier ja gleich zwei Bereiche eine Rolle spielen: Die innere und die äußere Sicherheit. Ausgangspunkt ist dabei die Idee vom Staat, der sich gegenüber seinen Bürgern durch sein Sicherheitsversprechen legitimiert und deshalb das Gewaltmonopol innehat. Doch eine rasante Zunahme von Gewalt- und Sexualdelikten, ein Höchststand bei Messerattacken, ein hoher Anteil straffällig gewordener Ausländer und die Clankriminalität, die sich in einer Parallelwelt organisiert hat und der der Rechtsstaat ziemlich egal ist, lassen im Inneren mehr als Zweifel an der Durchsetzungsfähigkeit rechtsstaatlicher Institutionen aufkommen – vom Rechts- und Linksextremismus ganz zu schweigen. Am schrecklichsten aber ist der seit dem 7. Oktober wieder offen zu Tage tretende Antisemitismus, der völlig enthemmt jüdisches Leben in Deutschland bedroht.
Dieser 7. Oktober mit dem barbarischen Angriff der Hamas auf Israel lenkt den Blick auch auf die äußere Sicherheit, die sich mit einer Vielzahl von internationalen Konflikten und geopolitischen Krisen konfrontiert sieht. Russen und Chinesen fordern die Amerikaner mehr oder weniger offen heraus und wollen die Welt neu ordnen. Die Ukraine und Taiwan lassen grüßen. Der Iran spielt mit und hofft auf den großen Coup im Nahen Osten, begleitet von Terrororganisationen, die keine Skrupel kennen. Währenddessen müht sich Europa, zu einer einheitlichen Außen- und Sicherheitspolitik zu finden – bislang eher vergeblich. Während der Pulverdampf an allen Ecken und Ende der Welt im dichter wird, ist die Bundeswehr für den Fall der Fälle alles andere als verteidigungsfähig. Man mag es kaum glauben, aber die Munition würde im Angriffsfall gerade einmal für ein bis zwei Tage reichen, vorausgesetzt die Waffen halten solange durch. Und die müssten ja auch noch bedient werden. Doch leider würden sich nur fünf Prozent der Deutschen freiwillig melden, ihr Land zu verteidigen. Demgegenüber würden im Kriegsfall 24 Prozent so schnell wie möglich Deutschland verlassen. Da kann einem schon Heinrich Heine in den Sinn kommen: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, Dann bin ich um den Schlaf gebracht.“
Und das gilt dann auch für das letzte Versprechen, das eigentlich das wichtigste ist, heute aber offensichtlich nicht mehr so wertgeschätzt wird: das Freiheitsversprechen, das mit Artikel 2 des Grundgesetzes sogar verfassungsrechtlich abgesichert ist. Doch dieses Recht, sich frei zu entfalten, sein Leben so zu leben, wie man mag, scheint vielen gar nicht so wichtig zu sein. In der Pandemie haben wir erlebt, wie staatliche Maßnahmen in unser Leben eingegriffen haben. Und viele fanden das gut. Insofern kann auch das Ergebnis einer Umfrage nicht verwundern, wonach das Image staatlich organisierter Wirtschaft in der Bevölkerung kaum schlechter ist als das der Marktwirtschaft. Auch staatliche Preiskontrollen stoßen auf großen Zuspruch. Vermisst wird die Freiheit zumeist dann, wenn sie nicht mehr vorhanden ist. Und sie ist nicht selbstverständlich. Nur 45,7 Prozent der Menschen leben weltweit in Freiheit, in einer Demokratie – mit sinkender Tendenz. Und sie ist nicht zum Nulltarif zu haben. Freiheit setzt immer auch Verantwortung voraus.
An dieser Stelle wird es interessant, weil hier vielleicht auch der Schlüssel zur Lösung des Problems liegt. „Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst“, hat einst US-Präsident John F. Kennedy gesagt und damit genau diese Verantwortung adressiert. Vor diesem Hintergrund wäre es gut, wenn sich auf der einen Seite der Staat auf seine Kernkompetenzen konzentrieren und nicht im Klein-Klein der Bürokratie verzetteln würde. Auf der anderen Seite sollte jeder Einzelne (wieder) die Verantwortung für sein Leben übernehmen und damit neue Spielräume für den Staat schaffen, der dann eben auch jenen helfen kann, die es selber nicht können. Die Idee ist übrigens nicht neu und hat auch einen Namen: Soziale Marktwirtschaft. Ludwig Erhard ist ihr Vater.
Sehr treffend beschrieben.