Die Parlamentarier des Landes Berlin und der Bundesrepublik Deutschland haben sich in den Sommerurlaub verabschiedet. Ob dieser wohlverdient ist, sei einmal dahingestellt. Jedenfalls sind die Probleme, die uns die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses und des Deutschen Bundestages zurückgelassen haben, gewaltig, auch und gerade deshalb, weil sie fast allesamt nicht neu sind.
Fangen wir mal mit dem Land Berlin an, das seit der Wiederholungswahl 2023 einen neuen Senat aus CDU und SPD hat, der ja alles besser machen wollte. So kündigte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner von der CDU vollmundig an: Spätestens ab dem Jahresende 2023 soll niemand mehr länger als 14 Tage auf einen Termin beim Bürgeramt warten. Wer heute allerdings einen Termin machen will, erhält entweder die Antwort „Leider sind aktuell keine Termine für ihre Auswahl verfügbar.“ oder den Hinweis „Die Terminverwaltung wird momentan gewartet.“ In beiden Fälle schaut der Bürger erst einmal in die Röhre.
Nicht viel anders ergeht es den Bürgern auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Wer eine Wohnung sucht, kann unglaubliche Horrorgeschichten erzählen. In nackten Zahlen liest sich das so: 2023 wurden knapp 16.000 neue Wohnungen gebaut und damit 4.000 weniger als angekündigt. Und es dürfte nicht besser werden. Ganz im Gegenteil: Von Januar bis April dieses Jahres wurden mit 3659 Wohnungen 42,1 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum genehmigt. Stattdessen nimmt der Senat viel Geld für den Rückkauf von Wohnungen in die Hand, was allerdings zu keiner einzigen neuen Wohnung führt.
Nicht nur, dass das Geld jetzt für den Wohnungsbau fehlt, im Grunde war es gar nicht da. Jedenfalls weist der Landeshaushalt für 2025 ein Finanzierungsdefizit von rund drei Milliarden Euro aus, für 2026 sogar von rund fünf Milliarden Euro. Das sind immerhin 7,5 bzw. 12,5 Prozent. Die künftigen Generationen werden sich über den immer weiter schwindenden Handlungsspielraum freuen, der durch die mangelnde Haushaltsdisziplin entsteht.
Die Liste der Missstände ließe sich beliebig fortsetzen: Chaotischer Straßenverkehr, kaputte Infrastruktur, skandalöse Zustände in den Schulen, verwahrloster öffentlicher Raum und noch vieles mehr, über das man sich aufregen könnte. Aber vielleicht kommt unseren Abgeordneten im Urlaub ja die Erleuchtung, wie sie der Probleme Herr werden können.
In diesem Zusammenhang sollte man sich aber nicht zu viele Hoffnungen machen, weder auf Landes- noch auf Bundesebene. Auf letzterer kommen neben den hausgemachten Probleme ja auch noch die internationalen Krisen hinzu, die einem wahrlich Sorgen machen müssen. Putins brutaler Überfall auf die Ukraine, der wachsende Einfluss Chinas, überhaupt die sich verschiebenden Machtkonstellationen in Europa und der Welt lassen Inflation, Wohnungsmangel und Haushaltslöcher hierzulande fast schon nebensächlich erscheinen.
Doch alles hängt mit allem zusammen. Und gerade die Mischung macht die Toxizität aus, die vor allem den extremen Rändern, die mit einfachsten Antworten auf komplexeste Fragestellungen reagieren, zu Gute kommt. Verteufelungen und Warnungen vor dem Untergang der Demokratie sind allerdings keine probaten Mittel, die politischen Parvenüs auf die Plätze zu verweisen. Es sind das grundsätzliche Verständnis für die Sorgen und Nöte der Bürger, eine klare Sprache, eindeutige Lösungsansätze und damit die Wiedergewinnung von verloren gegangenem Vertrauen.
Insofern sollten wir den Politikern für ihren Sommerurlaub gute Erholung wünschen, damit sie gestärkt zurückkommen und mit neuen Elan ans Werk gehen – am besten mit der Erkenntnis, dass jedem Problem auch eine Chance innewohnt. Oder um es mit dem italienischen Dichter und Philosophen Dante Alighieri zu sagen: „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt, der andere packt sie kräftig an und handelt.“
Die Damen und Herren u.a. werden erholt und voller Elan aus dem Urlaub zurückkehren. Das heißt:
Besonders die von der Bundesebene werden daheim im Wahlkreis heiß gemacht worden sein, im finalen Jahr der Legislaturperiode das Profil und die Daseinsberechtigung ihrer jeweiligen Partei zu stärken. Also noch
mehr Alleingänge, noch mehr Dissonanz, mehr Probleme als Lösungen, fehlender Mut, dem Wahlvolk reinen Wein zur Sicherheitslage einzuschenken. Bei den Beratungen zum Haushalt 25 und über die Wahlergebnisse der Wahlen in Ostdeutschland wird die Urlaubsbräune schwinden und die Gesichter werden aschfahl.