Berlin-Dossier, Nr. 26

Das erklärte Ziel von Friedrich Merz (CDU) im Wahlkampf lautete: „Wir werden dieses System Bürgergeld vom Kopf auf die Füße stellen.“ Denn, so der heutige Bundeskanzler noch im August dieses Jahres: „Der Sozialstaat, wie wir ihn heute haben, ist mit dem, was wir volkswirtschaftlich leisten, nicht mehr finanzierbar.“ Jetzt liegen die Pläne der Koalition von Union und SPD auf dem Tisch. Doch was als Herbst der Reformen großspurig angekündigt war, entpuppt sich bei näherer Betrachtung lediglich als Herbst der Reförmchen.

Denn die Umbenennung von Bürgergeld in Grundsicherung bringt finanziell erst einmal gar nichts. Und ob die vorgesehenen Sanktionen – Leistungskürzungen von 30 bis 100 Prozent – eben die von Bundessozialministerin Bärbel Bas (SPD) ins Auge gefasste Grenze dessen sind, „was verfassungsrechtlich zulässig ist“, erscheint mehr als fraglich.

Jedenfalls hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe 2019 im Rahmen der rechtlichen Überprüfung des Sanktionsmodells von Harz IV festgestellt: „Die Minderung in der Höhe von 60 Prozent des Regelbedarfs ist unzumutbar, denn die hier entstehende Belastung reicht weit in das grundrechtlich gewährleistete Existenzminimum hinein.“ An dieser Sichtweise dürfte sich wohl nichts geändert haben.

Insofern ist wohl auch nicht damit zu rechnen, dass es zu größeren Einsparungen im Bereich Bürgergeld bzw. Grundsicherung kommen wird. Vielmehr geht die Entwicklung in die andere Richtung. Lagen die Kosten für das Bürgergeld 2024 bei 46,81 Milliarden Euro und damit um rund vier Milliarden Euro über dem Niveau des Vorjahres, sollen sie nach dem in 2. Lesung beschlossenem Haushalt auf 51,96 Milliarden Euro und damit erneut um 5,15 Milliarden Euro steigen.

Dabei ist das nicht einmal alles, was unter Bürgergeld zu verbuchen wäre. Da kamen 2024 noch rund zehn Milliarden Euro dazu, die von den Krankenkassen gezahlt wurden. Dann waren da noch 11,4 Milliarden Euro Grundsicherung im Alter. Und last but not least schlug die Vermittlung der rund 5,5 Millionen Bürgergeldempfänger mit etwa 8,95 Milliarden Euro zu Buche, was dann in der Summe noch einmal über 30 Milliarden Euro ausmacht.

Überhaupt hat man nicht den Eindruck, dass die zuständige Bundesagentur für Arbeit an Einsparungen beim Bürgergeld großes Interesse hätte. Jedenfalls wird auf der Webseite der Agentur mehr oder weniger gezielt Werbung für das Bürgergeld gemacht – und das nicht nur auf Deutsch, sondern gleich in mehreren Sprachen: Arabisch, Bulgarisch, Englisch, französisch, Farsi, Rumänisch, Russisch und Ukrainisch sowie Türkisch.

Und diese Werbung scheint bei Zuwanderern auch gut anzukommen. Jedenfalls bezogen laut Statistik im Jahr 2025 bis Februar durchschnittlich 1,88 Millionen erwerbsfähige und circa 710.000 nicht erwerbsfähige Ausländer Bürgergeld, also insgesamt 2,59 Millionen, was einen Anteil von rund 47,2 Prozent aller Leistungsempfänger ausmacht. Bei einer Nettoeinwanderung von 430.000 Personen im Jahr 2024 kann man da nur feststellen: Die von der Politik so gerne propagierte Einwanderung in den Arbeitsmarkt sieht anders aus. 

Von Detlef Untermann

Detlef Untermann ist ein deutscher Journalist und Kommunikationsmanager, der auf eine über 40-jährige Erfahrung im Medien- und PR-Bereich zurückblicken kann. Mehr unter "Über den Autor" auf dieser Webseite und auf Wikipedia.

Ein Kommentar

  1. Ob die Verfassungsrichter:innen bei ihrem Urteil die reale Welt im Auge hatten, wage ich zu bezweifeln. Denn Missbrauch und Betrug bis hin zu mafiösen Methoden waren 2019 schon bekannt.
    Da sind die Jobcenter schon pragmatischer. Es soll dort Leiter geben, die ihr Team anweisen, mit Sanktionen äußerst restriktiv zu verfahren. Warum? Man will sich nicht mit Beschwerden und Klagen herumschlagen…

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