Der Krieg Russlands gegen die Ukraine ist eines der zentralen Themen beim Besuch von Bundeskanzler Friedrich Merz bei US-Präsident Donald Trump. Bei dessen Vergleich, die Kämpfe zwischen Russland und der Ukraine glichen einem Streit zwischen kleinen Kindern, wurde einmal mehr deutlich, dass der amerikanische Präsident die geopolitische Lage und die Intentionen von Wladimir Putin völlig verkennt.
Dabei wäre in diesem Kontext eine handfeste politische Analyse erforderlich und keine Illusionspflege. Trump ignoriert zwei Jahrzehnte dokumentierter Aggression – oder betreibt gezielte Verharmlosung. Putins Außenpolitik folgt einem klaren Muster: Destabilisieren, intervenieren, kontrollieren. Der russische Präsident nutzt „Frieden“ nicht als Ziel, sondern als Taktik – immer dann, wenn ihm militärische Gewalt kurzzeitig nicht nützt.
Ein Blick auf die Bilanz spricht für sich: 2008 marschierte Russland in Georgien ein, unter dem Vorwand, russischsprachige Minderheiten zu schützen. Der EU-Untersuchungsbericht kam zu dem Schluss: Moskau hatte den Konflikt systematisch vorbereitet. Das Ergebnis: eine dauerhafte russische Militärpräsenz in den abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien.
2014 folgte die Annexion der Krim. Ein klarer Bruch des Völkerrechts, der mit einem manipulierten Referendum legitimiert wurde. Gleichzeitig entzündete der Kreml in der Ostukraine einen Stellvertreterkrieg. Russische Waffen, Truppen ohne Abzeichen, Desinformationskampagnen: die hybride Kriegsführung wurde zum Markenzeichen.
2022 schließlich der offene Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine. Kein Verteidigungsakt, sondern der Versuch, ein Nachbarland politisch auszulöschen. Der Preis: Hunderttausende Tote, zerstörte Städte, Kriegsverbrechen, dokumentiert von der UN und internationalen Organisationen.
Putins imperialer Kurs reicht darüber hinaus: In Tschetschenien (1999–2009) führte er einen Vernichtungskrieg gegen Separatisten, in Syrien (ab 2015) bombardierte Russland zivile Infrastruktur, um das Assad-Regime zu stützen. In Moldau hält der Kreml seit Jahrzehnten Truppen in Transnistrien. In Kasachstan griff Russland 2022 über ein Militärbündnis ein, um Proteste zu unterdrücken. Und in Afrika agiert die Wagner-Gruppe im Sinne russischer Interessen – oft brutal, oft völkerrechtswidrig.
Diese Handlungen sind nicht impulsiv – sie sind ideologisch unterfüttert. Bereits 2005 erklärte Putin das Ende der Sowjetunion zur „größten geopolitischen Katastrophe des 20. Jahrhunderts“. 2021 legte er in einem Grundsatzartikel dar, dass Russen und Ukrainer „ein Volk“ seien – und dass echte Souveränität der Ukraine nur in Partnerschaft mit Russland möglich sei. In seiner Rede vom 21. Februar 2022 sprach er der Ukraine offen die historische Legitimität ab. Die Botschaft: Wer sich dem Einfluss Moskaus entzieht, ist ein Fehler der Geschichte.
Auch im russischen Machtzirkel ist diese Haltung fest verankert. Dmitri Medwedew drohte wiederholt offen mit einer Ausweitung des Krieges auf weitere Länder – Polen, das Baltikum, Moldau. Der außenpolitische Stratege Sergej Karaganow schrieb 2023, Russland müsse seine Nachbarn zu einer neuen Ordnung „zwingen – notfalls mit Atomwaffen“. Diese Aussagen sind keine rhetorischee Ausrutscher, sondern ideologische Signale.
Vor diesem Hintergrund wirkt die Haltung von Trump umso verstörender. Statt auf Abschreckung setzt Washington unter seiner neuen Führung auf Appeasement. Er verweigert der Ukraine klare Sicherheitszusagen, hat Militärhilfen zeitweise eingefroren und Sanktionen gegen russische Eliten gelockert. In einem symbolischen Bruch mit der bisherigen US-Außenpolitik wird das Opfer des Krieges unter Druck gesetzt – nicht der Aggressor.
Trumps Politik signalisiert dem Kreml: Geduld wird belohnt. Wer lange genug eskaliert, kann mit westlichem Nachgeben rechnen. Das ist nicht Friedenspolitik, das ist Kapitulation auf Raten. Die Vorstellung, mit Putin auf Augenhöhe einen stabilen Frieden auszuhandeln, ignoriert, was dieser unter „Frieden“ versteht: territoriale Revision, politische Abhängigkeit und militärische Dominanz.
Frieden ist für Putin kein Zustand gegenseitiger Sicherheit – sondern das Ergebnis erfolgreicher Unterwerfung. Wer das verkennt, wird von der Geschichte nicht verschont bleiben.