Berlin-Dossier, Nr. 5

Das politische Berlin hat zu Beginn dieses Jahres gleich zwei Hängepartien zu vermelden, deren Ausgang noch ungewiss ist. Beginnen wir mit der Landespolitik.

Dort ist jetzt das, was die Spatzen schon seit geraumer Zeit von den Dächern pfiffen, mittlerweile offiziell: Der Regierender Bürgermeister Kai Wegner und seine Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch, beide von der CDU, sind ein Paar.

Rechtsanwalt Christian Schertz teilte der Deutschen Presse-Agentur mit, dass die beiden Politiker im Herbst 2023 entschieden hätten, eine Beziehung einzugehen. Sie hätten ihn gebeten, „dieses aus Gründen der Transparenz zu bestätigen, um Klarheit für alle Beteiligten in der professionellen Zusammenarbeit sicherzustellen“.

Schertz erklärte darüber hinaus: »Unabhängig davon, dass eine derartige Konstellation keinen rechtlichen Bestimmungen widerspricht, ist es natürlich selbstverständlich, dass die Beteiligten im Zusammenhang mit ihrer Amtsführung Privates und Berufliches strikt trennen.« Der Rechtsanwalt bat zudem darum, die Privatsphäre von Wegner und Günther-Wünsch auch im Interesse ihrer Familien zu respektieren.

So berechtigt dieser Wunsch auch sein mag, so schwierig dürfte das werden. Die Sache ist nämlich bereits im Abgeordnetenhaus angekommen und damit höchstpolitisch. „Unterhält der Regierende Bürgermeister von Berlin eine sexuelle Beziehung zu einem anderen Senatsmitglied, also einer Person, deren berufliche Stellung allein von ihm abhängig ist? Insbesondere zur Senatorin für Bildung, Jugend und Familie? Falls ja, seit wann?“, will nämlich der parteilose Abgeordnete Antonin Brousek (ehemals AfD) im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage wissen.

Zudem war es ja Wegner selbst, der sein Privatleben öffentlich gemacht hat, als er kurz vor Jahresende die Senatskanzlei mitteilen ließ, dass sich er und seine bisherige Partnerin, mit der er zwei Kinder hat, im September 2023 getrennt hätten. Als dann die B.Z. und die BILD nach dem Jahreswechsel über eine mögliche Beziehung von Wegner und Günther-Wünsch berichteten, beauftragte Wegner eben Schertz, ihn „bei allen Angelegenheiten hinsichtlich seiner Privatsphäre“ zu vertreten. Und der erklärte: „Als Rechtsanwalt von Kai Wegner bitte ich um Verständnis, dass wir keinen Anlass sehen, zu Gerüchten über seine Privatsphäre Stellung zu nehmen. Auch Politiker müssen eine Berichterstattung über derartige Spekulationen nicht hinnehmen, zumal hier auch die Familie meines Mandanten geschützt werden muss. Wir bitten insofern um dringende Beachtung.“

Dass dies nicht lange würde gutgehen können, war Medienprofis sofort klar. Wie sich das Politikum aufbaute, ist auf rbb24.de und tagesschau.de treffend beschrieben: „Aus den Gerüchten wurde in kürzester Zeit ein offenes Geheimnis und die beiden CDU-Politiker immer mehr zu Getriebenen. Mit ihrer Erklärung, verbreitet über einen Rechtsanwalt, haben sie mit Verspätung lediglich offiziell gemacht, was das politische Berlin bereits wusste.“

Und weiter heißt es: „Ein echter Befreiungsschlag ist das späte Eingeständnis für Wegner und Günther-Wünsch daher nicht. Denn nach wie vor bleiben zentrale Fragen unbeantwortet. Beide Politiker stehen jetzt erst recht unter verschärfter Beobachtung. Und viel wird davon abhängen, ob ihre Angaben Bestand haben.“

Gemeint ist damit vor allem der Zeitpunkt „Herbst 2023“, zu dem beide entschieden hätten, eine Beziehung einzugehen. Denn in politischen Kreisen wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf den 27. April 2023 hingewiesen, an dem Wegner als Regierungschef seine Senatoren ernannt hat. Hätte die Beziehung an diesem Tag bereits bestanden, wären Konsequenzen unumgänglich.

Ob es sich dabei nur um politische oder auch juristische handeln könnte, darüber streiten die Gelehrten. Zwar gibt es in der Landesverfassung oder der Geschäftsordnung des Senates in der Tat keine konkrete Vorschrift, die der Beziehung entgegenstehen würde. Aber § 21 (2) Senatorengesetz besagt: „Soweit die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Senats in den vorstehenden Vorschriften oder durch besonderes Gesetz nicht geregelt sind, finden die beamtenrechtlichen Grundsätze in dem Umfange sinngemäße Anwendung, als dies dem Wesen des Amtsverhältnisses (§ 1) entspricht.“ Und danach stehen die Mitglieder des Senats in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zum Land Berlin. Politisch indes wäre die Sache eindeutig, zumal in Unternehmen, Berliner Landesbetrieben und Behörden solche Fälle klar geregelt sind.

Wie man so etwas elegant lösen kann, haben Olaf Scholz und seine Frau Britta Ernst vorgemacht. Als der Bundeskanzler noch Erster Bürgermeister von Hamburg war, wechselte Ernst als Ministerin zunächst nach Schleswig-Holstein und später dann nach Brandenburg, so dass ihnen das Öffentlichkeitsinteresse, das sich gerade auf Wegner und Günther-Wünsch richtet, erspart geblieben ist.

Allerdings steht der Bundeskanzler, und damit kommen wir zur zweiten Hängepartie auf Bundesebene, aktuell ebenfalls unter besonderer Beobachtung. Jedenfalls hat sich The Pioneer Briefing von Gabor Steingart auf Scholz eingeschossen. Da heißt es erst einmal plakativ: „Schicksalsjahr für den Kanzler – Wie lange kann sich Olaf Scholz noch halten?“ Begleitet wird das Ganze nicht weniger reißerisch von: „Die Akte Olaf Scholz – Ein Kanzler unter Verdacht.“

Dabei geht es insbesondere um den Cum-Ex-Skandal. Hier scheint sich Steingart sicher und schreibt: „Die Kanzlerstrategie – ich lüge nicht, ich kann mich nur nicht erinnern – geht nicht auf. Das Bundesverfassungsgericht dürfte 2024 grünes Licht für einen Untersuchungsausschuss in Berlin geben.“ Denn bislang war die Opposition im Bundestag gescheitert, einen solchen Ausschuss zur Aufklärung von Cum-Ex einzusetzen. Und so hat die CDU-/CSU-Fraktion beim Bundesverfassungsgericht eine Klage eingereicht. Die Fragestellungen lauten schlicht und ergreifend: „Gab es eine politische Einflussnahme oder den Versuch dazu hinsichtlich der Steuerrückforderungen gegen die M.M. Warburg & CO Bank?“ und „Welche Angaben haben der jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz, für ihn tätige Anwälte und die von ihm geführten Behörden zu den Verfahren, Ereignissen, Treffen und Kontakten im Zusammenhang mit den Steuerrückforderungen gegen die M.M. Warburg & CO Bank gemacht und sind diese glaubhaft?“

Doch damit nicht genug, Steingart, der bekanntlich in der deutschen Hauptstadt das Gras wachsen und die Flöhe husten hört, lässt auch noch wissen, welche Fragen dort vor dem Hintergrund von Deutschlands Wirtschaftsschwäche und der anstehenden Wahlen mittlerweile bereits „halblaut“ gestellt werden: „Wie lange kann sich der Kanzler noch halten? Hält er selbst diesen Mehrfrontenkrieg durch? Wann reißt der SPD, die mit Verteidigungsminister Boris Pistorius über Deutschlands beliebtesten Politiker verfügt, der Geduldsfaden?“

Den Bürgern scheint er bereits gerissen. Nach einer repräsentativen INSA-Umfrage für BILD wünschen sich 64,3 Prozent der Deutschen, dass Scholz das Kanzleramt an Pistorius abgibt. Selbst bei SPD-Anhängern ist eine knappe Mehrheit von 47,9 zu 47,1 Prozent für einen solchen Wechsel vor der nächsten Bundestagswahl.

Und da wir schon mal beim Thema Geduldsfaden sind: Der wird in dieser Woche bei den Bürgern arg strapaziert: Bauernproteste und GDL-Streik werden das Land ziemlich lahmlegen. Dabei bleibt abzuwarten, inwieweit die Bauern es zulassen, dass sie von Extremisten oder Verschwörungsfanatikern unterwandert werden und es insofern zu bewussten Grenzüberschreitungen kommt. Die ersten Tage jedenfalls haben Hoffnung gemacht, dass alles zumindest im demokratischen Rahmen bleibt.

Von Detlef Untermann

Detlef Untermann ist ein deutscher Journalist und Kommunikationsmanager, der auf eine über 40-jährige Erfahrung im Medien- und PR-Bereich zurückblicken kann. Mehr unter "Über den Autor" auf dieser Webseite und auf Wikipedia.

Ein Kommentar

  1. Wenn ein laut Umfragen schlechter Bundeskanzler durch einen in Umfragen besseren Politiker ersetzt wird, heißt das noch lange nicht, dass dieser gut ist.
    Im Klartext: Pistorius Kanzler? Nein, danke!

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