Der ehemalige CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß muss sich im Grabe umdrehen. Denn er war fest davon überzeugt, „dass es rechts von der CDU/CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben darf.“ Und was ist heute? Sie sprießen nur so aus dem Boden der Parteienlandschaft. Waren es damals in den 1980er-Jahren die rechtsnationalen Republikaner, die Sorge bereiteten, sind es aktuell die Freien Wähler, die Alternative für Deutschland (AfD) und die Werteunion, die sich allerdings offiziell noch gründen muss. Selbst das Bündnis Sarah Wagenknecht (BSW) fischt in Politikfeldern wie der Migration nach Wählern am rechten Rand.
Das alles hat die Parteienlandschaft ziemlich in Bewegung gebracht. Mehr noch, man kann von tektonischen Plattenverschiebungen reden, die zu heftigsten Eruptionen geführt haben. Nach einem INSA-Meinungstrend vom 30. Januar 2024 sieht das Ganze auf Bundesebene mittlerweile so aus: CDU/CSU 30 Prozent, AfD 21 Prozent, SPD 14,5 Prozent, Grüne 12,5 Prozent, BSW 7 Prozent, FDP 5 Prozent, Linke 3,5 Prozent, Freie Wähler 2,5 Prozent, Sonstige 4 Prozent. Und die Werteunion ist noch nicht einmal berücksichtigt.
Positioniert man die einzelnen Parteien auf einem Kreis, tummeln sich links von der unteren Mitte aus gesehen SPD, Grüne und Linke, rechts von der unteren Mitte CDU/CSU, Freie Wähler, Werteunion und AfD, die FDP steht unten in der Mitte und oben zwischen Linke und AfD versucht sich das BSW. Legt man die aktuellen Kräfteverhältnisse zu Grunde, braucht man nicht viel Fantasie, um zu erkennen, dass sich das zu einem größeren Problem nicht zuletzt für die FDP entwickeln könnte.
Denn die Freien Demokraten sind die Partei der Freiheit und der Selbstbestimmung, was zwangsläufig auch eigene Leistung und Selbstverantwortung beinhaltet. Das ist natürlich nicht so komfortabel wie bei den anderen Parteien, die mehr oder weniger auf Etatismus setzen oder anders ausgedrückt: Mehr Staat als privat. Insofern kann es auch nicht verwundern, dass die Staatsquote, also das Verhältnis zwischen Staatsausgaben und Bruttoinlandsprodukt zwischenzeitlich in den Jahren 2020 und 2021 sogar auf über 50 Prozent gestiegen ist. Nicht zuletzt dank der FDP liegt sie jetzt wieder darunter und die Zielmarke von Bundesfinanzminister Christian Lindner liegt bei 40 Prozent.
Das kommt natürlich nicht gut an in den politischen Kreisen, die gerne Geld verteilen, wobei es sich, daran sei erinnert, um das Geld anderer Leute handelt. In der Bankenkrise und während Corona haben die vielen Staatsgarantien zu einer Erwartungshaltung gegenüber dem Staat geführt, die dieser gar nicht mehr erfüllen kann. Das führt zu Enttäuschungen und Misstrauen bei den Bürgern, die dann eben jene Parteien wählen, die es – siehe oben – nicht geben dürfte.
Dabei hat der Staat gar kein Einnahmeproblem. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2023 lagen die Steuereinnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden bei 1.337,8 Mrd. Euro. Allerdings summierten sich die Ausgaben auf 1.429,3 Mrd. Euro, womit das Finanzierungsdefizit 91,5 Mrd. Euro betrug. Wie wusste schon die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher: „Das Problem des Sozialismus ist, dass dir irgendwann das Geld anderer Leute ausgeht.“
Betrachtet man nur den Bundeshaushalt 2024, der gerade unter schweren Wehen hervorgebracht wurde, wird einem die Problematik klar. Von den 476,81 Mrd. Euro Gesamtausgaben entfallen alleine auf Arbeit und Soziales 175,67 Mrd. Euro und damit 36,8 Prozent. Und der viertgrößte Posten nach Verteidigung sowie Digitales und Verkehr ist mit 39,57 Mrd. Euro die Bundesschuld, die damit auch schon bei 8,3 Prozent liegt. Während die Bürger schuften und Steuern zahlen, muss der Staat für seine Schulden aufkommen und verteilt noch kräftig um, wobei sich SPD und Grüne als die spendablen Wohltäter geben, während die FDP mit ihren Sparbemühungen als Bremserin dasteht.
Dabei müssten die Menschen in Deutschland der FDP eigentlich dankbar sein, wenn die versucht, das Geld zusammenzuhalten. Denn was die Belastung der Arbeitseinkommen mit Steuern und Sozialabgaben betrifft, kommt Deutschland unter den 38 Industrieländern der OECD nach Belgien auf Platz zwei. Die Abgabenquote bei einem verheirateten Paar mit Kindern beträgt durchschnittlich bei 40,8 Prozent. Alleinstehenden geht es noch schlechter. Bei ihnen liegt die Abgabenquote bei 47,8 Prozent.
Doch selbst der durch den liberalen Bundesfinanzminister für 48 Millionen Bürger durchgesetzte Ausgleich von inflationsbedingte Mehrbelastungen in einer Größenordnung von immerhin ca. 50 Mrd. Euro zahlt nicht auf die FDP ein. Jedenfalls kämpft die FDP auf Bundesebene hart entlang der Fünf-Prozent-Hürde und steht in den ostdeutschen Ländern, in denen in diesem Jahr gewählt wird, mit 3 Prozent unter ferner liefen.
Dabei war die FDP – in Anlehnung an einen alten Werbeslogan – noch nie so wertvoll heute. „Deutschland ist technologisch abgeschlagen, verliert gegenüber Asien an Wettbewerbsfähigkeit und führt stattdessen Moraldebatten. Wir haben kein Abo auf Wohlstand, sondern sind gerade auf dem Weg, ein Museum zu werden. Um das zu verhindern, braucht es eine starke FDP“, hat Linda Teuteberg einmal gesagt. Das war 2019. Doch 16 Jahre Angela Merkel mit ihren falschen oder eben nicht vorgenommenen Weichenstellungen, die Ende 2021 zu Ende gegangen sind, können nicht von jetzt auf gleich bereinigt werden. Und so ist Deutschland heute noch das Sorgenkind auch beim Wirtschaftswachstum und zählt zu den Schlusslichtern im weltweiten Vergleich. „Dieses Land hat sich an einen spitzenmäßigen Lebensstandard weltweit gewöhnt, an eine spitzenmäßige soziale Absicherung und wir wollen spitzenmäßig sein bei der ökologischen Verantwortung“, sagte Lindner jetzt auf dem Wirtschaftsgipfel der Zeitung WELT. „Ohne Leistungsbereitschaft und mehr Wettbewerbsfähigkeit werden wir diese Ansprüche nicht mehr einlösen können.“ Recht hat er. Die bange Frage lautet nur, ob das auf taube Ohren stößt oder doch noch irgendwo Gehör findet. Zu wünschen wäre es – nicht nur für die FDP.