Diesen Wahlsonntag am 1. September muss man schon als historisch einordnen. Erstmals seit dem Ende der Nationalsozialisten des Dritten Reiches ist im Nachkriegsdeutschland mit der AfD eine als „erwiesen rechtsextrem“ eingestufte Partei stärkste politische Kraft in einem Bundesland geworden und hat dies in einem anderen Bundesland nur knapp verfehlt. Hinzu kommt, dass mit dem BSW eine weitere Partei, die alles andere als demokratisch strukturiert ist, aus dem Stand in beiden Bundesländern ein zweistelliges Ergebnis einfahren konnte. Dabei sind die Wahlergebnisse von Thüringen und Sachsen keine unglücklichen Betriebsunfälle, sondern Menetekel mit Ansage.
Denn die Parteien der politischen Mitte und hier vor allem die Ampel-Parteien haben alle Vorboten des drohenden Unheils ignoriert und konsequent die Sorgen und Nöte der Wähler negiert. Wie weit die Realitätsverweigerung bei einigen Verantwortlichen geht, konnte man beim SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert bestaunen, als dieser am Wahlabend das Abschneiden seiner Partei schönzureden versuchte und den Umstand, dass die SPD ja noch in beiden Landtagen vertreten ist, als Erfolg verkaufte: „Insofern steckt für meine Partei auch die Botschaft drin: Kämpfen lohnt sich. Wir werden gebraucht. Es gibt auch Menschen, die unsere Politik wollen.“
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Wesentlich realistischer war da schon das FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki, der auf der Plattform X schrieb: „Das Wahlergebnis zeigt: Die Ampel hat ihre Legitimation verloren. Wenn ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft ihr in dieser Art und Weise die Zustimmung verweigert, muss das Folgen haben“, um dann fortzufahren: „Die Menschen haben den Eindruck, diese Koalition schadet dem Land. Und sie schadet definitiv der Freien Demokratischen Partei.“ Viel besser hätte man es nicht auf den Punkt bringen können.
Vor allem bei den Themen Kriminalität und innere Sicherheit sowie Zuwanderung hat die Ampel komplett versagt, wie auch Zahlen von „infratest dimap“ belegen. Danach waren dies in Thüringen für 21 bzw. 18 Prozent die wahlentscheidenden Themen, in Sachsen für 18 bzw. 19 Prozent. Da hat es dann auch nicht gereicht, am Freitag vor den Wahlen 28 verurteilte Straftäter öffentlichkeitswirksam in den Flieger zu setzen und nach Afghanistan abzuschieben – zumal das ohnehin von langer Hand geplant war und nichts mit dem schrecklichen Messeranschlag von Solingen zu tun hatte. Wenn da nicht bald und schnell mehr kommt, dürften sich die Wahlergebnisse von Thüringen und Sachsen fortsetzen. Brandenburg, wo am 22. September gewählt wird, lässt grüßen.
Dabei sollte man ernst nehmen, was Fachleute wie der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk zu AfD und BSW sagen: „Beide eint der Hang zum Autoritarismus, beide wollen ein elitäres, illiberales Staatssystem, beide wollen Deutschland aus dem westlichen Verteidigungsbündnis herauslösen, beide wollen die Europäische Union zerstören.“ Das klinkt nicht nur gefährlich. Das ist es auch. So wie in seinen Augen auch Björn Höcker und Sarah Wagenknecht gefährlich sind: „Sie sind beide große Demagogen, und die sind in der Politik immer gefährlich, weil die Lüge ein Fundament ihrer Politik ist.“
Vor diesem Hintergrund kann auch nicht verwundern, dass er für die Zukunft politisch nichts Gutes erwartet: „Die liberale Demokratie des Westens ist zurzeit stärker unter Druck als je seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ich gehe davon aus, dass wir über kurz oder lang ein autoritäres Staatssystem auch in Deutschland erleben werden.“ Rosige Aussichten sind das nicht gerade. Aber vielleicht war ja dieser historische Wahlsonntag doch der Weckruf, den dieses Land gebraucht hat. Zu hoffen wäre es jedenfalls.
Ich fürchte, dass weite Teile der Ampelparteien sich so weit von Wählerinnen und Wählern entfernt haben, dass sie Weckrufe, ja, selbst Warnschüsse, nicht mehr hören.
Ob das Wahlvolk daraus die richtigen Konsequenzen zieht…?