Berlin-Dossier, Nr. 9

Die Politik in Berlin ist derzeit alles andere als vergnügungssteuerpflichtig. Das gilt sowohl für die Landes- als auch für die Bundespolitik.

Fangen wir mit der Landespolitik an, die mit einem neuen Deal zwischen den landeseigenen Wohnungsunternehmen Howoge und Berlinovo auf der einen Seite sowie dem Bochumer Immobilienkonzern Vonovia auf der anderen Seite für Schlagzeilen gesorgt hat. Für 700 Millionen Euro wechseln 4.500 Wohnungen sowie potenzielle Bauflächen im Umfang von 6,9 Hektar den Eigentümer. Die Rekommunalisierung geht also weiter, nachdem Berlin 2021 bereits 14.750 Wohnungen und 450 Gewerbeeinheiten von Vonovia und Deutsche Wohnen zurückgekauft hatte.

Dass er selbst damals Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser Rückkäufe geäußert hat, ficht den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner von der CDU heute nicht an, ganz nach dem Motto: Was schert mich mein Geschwätz von gestern. So geißelte er als CDU-Spitzenkandidat die Transaktion als „gravierende Fehlentscheidung“ und „teures Wahlgeschenk“. Selbst so ein eingefleischter Sozialdemokrat wie Klaus Wowereit argumentierte gegenüber dem „Tagesspiegel“: „Ich bin der Meinung, dass die Milliarden lieber in den Wohnungsbau fließen sollten. Deshalb halte ich diesen Kauf nicht für richtig.“ Diese Sichtweise hat sicherlich auch heute noch ihre Berechtigung. Jedenfalls ist mit dem neuerlichen Rückkauf – wie damals übrigens auch – keine einzige neue Wohnung entstanden, das Geld aber erst einmal weg.

Ähnlich verhält es mit dem Rückkauf der Fernwärme von Vattenfall durch Berlin für immerhin 1,6 Milliarden Euro, was getrost unter der Rubrik Milchmädchenrechnung verbucht werden kann und dem Etatismuswahn von Wegners Koalitionspartner SPD geschuldet ist. Dabei weiß ein jeder, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Insofern bleibt abzuwarten, ob da jetzt überhaupt Gewinne anfallen, die dann aber auch erst einmal dafür verwendet werden müssten, um den Kaufpreis zu finanzieren. Besser angelegt wäre das Geld sicherlich im Wohnungsbau oder der Bildung oder, oder, oder.

Leider sind das nicht die einzigen Beispiele dafür, dass das Land Berlin nicht mit Geld umgehen kann und selbiges zum Fenster hinaus wirft. Aber die CDU lässt es sich eben etwas kosten, dass sie regieren darf. Und jetzt weiß man wenigstens, was Berlins christdemokratischer Finanzsenator Stefan Evers damit gemeint hat, als er die Parole ausgegeben hat: „Berlin muss lernen, mit weniger Geld besser zu funktionieren.“

Im Bund ist die CDU noch nicht in Regierungsverantwortung. Dafür würden dort SPD und Grüne das Geld am liebsten mit vollen Händen ausgeben, wäre da nicht ein Bundesfinanzminister Christian Lindner von der FDP, der sich als Gralshüter der Schuldenbremse versteht. So fordern im Zuge der aktuellen Haushaltsaufstellung beispielsweise Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) oder Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) mehr Geld als vorgesehen, statt es in ihren Etats einzusparen. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Man darf aber gespannt sein, ob sich der Bundesfinanzmister durchsetzt. Sollte das allerdings nicht der Fall sein, ist ein Platzen der Ampel nicht ausgeschlossen.

Dass dies nicht so ganz abwegig ist, lässt sich alleine daran ablesen, wie weit die Vorstellungen von SPD, Grünen und Liberalen auch in anderen Politikbereichen auseinandergehen, wobei die Kampflinien nicht immer gleich verlaufen. Doch wenn ein Phänomen besonders auffällt, dann ist es das, dass vor allem bei SPD und Grünen Realitätsverweigerung und Wunschdenken zur Grundlage deren Politik geworden sind.

Bei Bundeskanzler Olaf Scholz und seiner SPD wird so ziemlich alles negiert, was das Wohlbefinden stören könnte: Ob Wirtschaft, Wohnungen oder Migration – um nur drei Bereiche zu nennen -, Wahrnehmung und Wirklichkeit liegen weit auseinander. Während die Wirtschaft mit einem Wachstum von 0,2 bis 0,3 Prozent vor sich hin dümpelt, schwadroniert der Kanzler von „einer Phase großen Wachstums“. Ebenso phantasiert er von Wohnungsbauzahlen in einer Größenordnung von 400.000, während das ifo-Institut in München für 2024 von gerade einmal 225.000 ausgeht. Und bei der illegalen Migration ist es so, dass sie steigt und eben nicht begrenz wird. Das Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration (GASIM), in dem unter anderem das Bundeskriminalamt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Bundesnachrichtendienst und das Auswärtige Amt vertreten sind, warnt in seinem jüngsten Bericht, dass „mit einem erneuten Ansteigen der Anzahl polizeilicher Feststellungen sowie Asylgesuchen in Deutschland zu rechnen“ sei.

Und dann sind da noch die deutschen Taurus-Marschflugkörper, die die Ukraine so dringend für ihre Verteidigung gegen die russischen Aggressoren benötigt. Da können sich Grüne und FDP noch so vehement für eine Lieferung an die Ukraine einsetzen, Scholz bleibt stur, mit einer mehr als wackeligen Begründung.

Über die Energiepolitik mag man schon gar nicht reden. Denn der zuständige Bundesminister Robert Habeck scheint es sich in seinem grünen Elfenbeinturm so bequem gemacht zu haben, dass er die Realität nicht mehr wahrnehmen kann – oder will. Jedenfalls ist der Fall der Abschaltung der letzten deutschen Kernkraftwerke und das Zustandekommen der diesbezüglichen Entscheidung noch lange nicht vom Tisch. Die Recherchen des Magazins „Cicero“, der Dokumente aus dem Jahr 2022 ausgegraben hatte, die den Verdacht verdichten, dass der Energieminister oder Mitarbeiter seines Hauses bei der Entscheidungsfindung getrickst haben, dürften nach neuerlichen Hinweisen und Aussagen wie z.B. die des ehemaligen Eon-Aufsichtsratschefs Karl-Ludwig Kley neuen Auftrieb erhalten. Mit neuen Belegen ist jedenfalls zu rechnen.

Irgendwie kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass seit dem legendären Auftritt von SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, die 2013 im Deutschen Bundestag mit einer Gesangseinlage gegen die damals amtierende Bundesregierung zu Felde zog und trällerte: „Ich mach mir die Welt, wide wide wie sie mir gefällt“, das Pippi-Langstrumpf-Motto bei den Sozialdemokraten, aber auch bei den Grünen immer mehr zur Grundlage ihrer Politik erhoben worden ist. Dabei beginnt nach den Worten des großen Sozialdemokraten Kurt Schumacher „Politik mit der Betrachtung der Wirklichkeit.“ Davon ist bis heute bei vielen nichts mehr übrig geblieben: Tempi passati – leider.

Von Detlef Untermann

Detlef Untermann ist ein deutscher Journalist und Kommunikationsmanager, der auf eine über 40-jährige Erfahrung im Medien- und PR-Bereich zurückblicken kann. Mehr unter "Über den Autor" auf dieser Webseite und auf Wikipedia.

Ein Kommentar

  1. Ich frage mich tatsächlich immer warum die Verschwendung von Steuergeldern für den Vorkauf von Wohnungen nicht öffentlich angeprangert wird. Abgesehen von den hier im Dossier schon angesprochenen Themen : Investoren werden an Investitionen in Bestandsgebäude gehindert und bauen womöglich als Alternative neue Wohnungen , diese wohlgemerkt mit freier Miethöhe. Und niemand bringt das Abkassieren der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften mit der berühmten Zweitmiete (Betriebskosten) in’s Gespräch. Diese Gesellschaften haben. verbundene oder nahestehende Gesellschaften , die höhere Kosten als die marktüblichen Kosten verursachen. Ein mir genau bekanntes Beispiel ist die Müllerstrasse 166a/167, angekauft durch die Degewo. Ist das immer noch der berühmte Berliner Filz?

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