Die vermeintliche moralische Überlegenheit der Grünen ist nicht nur umgeschlagen in grenzenlose Selbstüberschätzung und maßlose Überheblichkeit, sondern manifestiert sich mittlerweile auch in einer Respektlosigkeit gegenüber unseren demokratischen Grundwerten, dass man angesichts des aktuellen Geburtstages unseres Grundgesetzes nur noch mit dem Kopf schütteln kann.
Aber gönnen wir uns zunächst noch einen kurzen Rückblick auf das Jahr 2020, in dem die Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen ihr viertes Grundsatzprogramm beschlossen hat. Gleich im Titel lässt es die selbsternannte „führende progressive Kraft in diesem Land“ krachen und bemüht nichts Geringeres als Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes: Mit „… zu achten und zu schützen …“ – Veränderung schafft Halt ist das Programm überschrieben, das „von dem Prinzip der demokratischen Gestaltung der gesamten Gesellschaft“ geleitet ist.
Was die Grünen unter der demokratischen Gestaltung der gesamten Gesellschaft verstehen, hat jetzt ihr Vorzeige-Minister offenbart, als er aus seinem Herzen keine Mördergrube machte und ziemlich offenherzig aus dem Nähkästchen plauderte: „Die Debatte um das Gebäudeenergiegesetz, also wie heizen wir in Zukunft, war ja auch ehrlicherweise ein Test, wie weit die Gesellschaft bereit ist, Klimaschutz – wenn er konkret wird – zu tragen. Und ich bin zu weit gegangen“, gestand der Wirtschaft- und Klimaminister Robert Habeck. Im Gebäudebereich sei man so weit gegangen, „wie man gehen konnte, ohne einen Komplettabsturz des Klimaschutzes zu riskieren.“
Man traut ja seinen Augen und Ohren nicht, wenn man diese Einlassung liest oder hört, die auch noch bei einem Bürgergespräch in Berlin im Rahmen der Feierlichkeiten zum 75-jährigen Geburtstag des Grundgesetzes gemacht wurden. Da gibt ein Bundesminister unumwunden zu, dass er die Bürger und Wähler als Versuchskaninchen missbraucht hat und niemand im Publikum zuckt auch nur. Auch von politischer Seite ist nicht viel zu vernehmen. Lediglich Andreas Jung, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender und Sprecher der Unionsfraktion für Klimaschutz und Energie, warf Habeck mangelnde Glaubwürdigkeit vor und forderte, das Heizungsgesetz zurückzunehmen. Das war’s – abgesehen von den Stellungnahmen einiger betroffener Verbände.
Dabei hätte vor allem die FDP allen Grund gehabt, bei diesem doch sehr bemerkenswerten Vorgang so richtig vom Leder zu ziehen. Immerhin hatte seinerzeit die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, die FDP vor einer Blockade des Gebäudeenergiegesetzes gewarnt, als die FDP-Bundestagsfraktion den damaligen Gesetzesentwurf für indiskutabel einstufte und auf ein komplett neues Heizungsgesetz drang.
Aber vielleicht haben die Freien Demokraten längst resigniert, angesichts der immer häufiger auftretenden Grenzüberschreitungen von Grünen Spitzenpolitikern, bei denen man ja nicht mehr wissen kann, ob sie es ernst meinen oder nur etwas austesten wollen. Nehmen wir zum Beispiel Bundesfamilienministerin Lisa Paus, die für die Kindergrundsicherung zunächst einmal 12 Milliarden Euro im Bundeshaushalt gefordert hatte und sich nun mit 2,4 Milliarden ausgesprochen zufrieden zeigt – ganz nach dem Motto: Man kann es ja mal versuchen.
Oder Katharina Stella, Bundessprecherin der Grünen Jugend: „Dass man keine Lust mehr hat, viel zu arbeiten, finde ich total vernünftig“, gibt die Dame bei Markus Lanz zum Besten und fordert die Vier-Tage-Woche – natürlich bei vollem Lohnausgleich. Dabei kann und muss man allerdings davon ausgehen, dass sie meint und weiß, was sie sagt.
Nicht so sicher kann man sich da einmal mehr bei Robert Habeck sein, der mit seiner jüngsten Kritik an Israel für Entsetzen sorgte: „Selbstverständlich muss Israel sich an das Völkerrecht halten. Und die Hungersnot, das Leid der palästinensischen Bevölkerung, die Angriffe im Gazastreifen sind – wie wir jetzt auch ja gerichtlich sehen – mit dem Völkerrecht nicht vereinbar“, sagte der Minister, der dabei eigentlich hätte wissen müsste, dass bislang noch kein internationales Gericht Israel wegen des Bruchs des Völkerrechts verurteilt hat.
Aber, wie formulierte es Bundesaußenministerin Annalena Baerbock doch einmal in Richtung Habeck: „Vom Hause her kommt er – Hühner, Schweine, weiß ich nicht, was haste? – Kühe melken. Ich komme eher aus dem Völkerrecht. Da kommen wir aus ganz anderen Welten.“ Dass bei Baerbock das Völkerrecht aber auch nicht immer das Maß aller Dinge ist, bewies diese bei diversen Äußerungen, angesichts derer Israel durchaus Zweifel an der deutschen Staatsraison haben könnte, und die bedeutete bislang: Die Sicherheit Israels ist für eine deutsche Bundesregierung nicht verhandelbar. Jetzt heißt es von der Bundesaußenministerin: „Sie bedeutet auch, alles dafür zu tun, dass sich Israel in diesem Krieg nicht selbst verliert.“ Eine Auslegung, die gewiss nicht nur testweise erfolgte, in Jerusalem aber sicherlich auch mehr als nur Unverständnis hervorrufen dürfte.
Und während die Hamas, deren erklärtes Ziel die Vernichtung und Zerstörung des israelischen Staates ist, um auf diesem Gebiet den islamischen Staat Palästina zu gründen, einmal mehr den Großraum Tel Aviv mit Raketen beschießt, steht nach wie vor die – warum auch immer so gemachte – Andeutung von Regierungssprecher Steffen Hebestreit im Raum, wonach der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu bei Erlass eines Haftbefehls durch den Internationale Strafgerichtshof auf deutschem Boden verhaftet werden könnte. Das mag und kann man sich auch 80 Jahre nach dem von Deutschland ausgegangenen Völkermord an über 6 Millionen europäischer Juden nun wirklich nicht vorstellen.
RESPEKT. Genau auf den Punkt gebracht, wie immer!
Weiter so lieber Herr Untermann.